Ich habe aufgehört die Tage zu zählen. Ich würde lieber die Tage zählen, wo wieder etwas Normalität einkehrt. So eine Art Adventskalender. Nur dass man nicht weiß, wieviel Türchen er hat.
Der Morgen beginnt zeitig. Kurz vor 7 Uhr zählt mir mein Jüngster im Bett auf, was ich einkaufen soll: Frischkäse, Milchschnitte und Mortadella. Er hat konkrete Wünsche. Punkt 7 Uhr fahre ich zum Aldi, das erste Mal mit einer Atemschutzmaske. Alte Erinnerungen werden wach. Vor Urzeiten, in meiner Ausbildung als Krankenschwester, habe ich so was getragen. Darum fühlt sich das Ding um meine Nase gar nicht so fremd an. Erst mal. Und dann spüre ich gleich, wo es hakt: Die Brille. Oh nein, ich werde alt! Ich habe eine echte Herausforderung beim Einkaufen. Ich habe zwar eine schicke, waschbare, zartrosafarbene Stoffmaske, aber die ist so dicht, dass mein Atem die Brille beschlägt und ich nichts mehr sehe. Jetzt kann ich mir aussuchen: Sehe ich nichts, weil die Brille beschlagen ist oder weil ich sie abgesetzt habe. Ich war bis zu dem Zeitpunkt für Masken, doch diese Meinung ändert sich in dem Moment radikal. Es funktioniert mit meiner Brille einfach nicht. Halbblind suche ich mir meinen Weg durch den zum Glück recht menschenleeren Aldi, setze die Maske zwischendurch ab um den richtigen Mortadella für mein Kind zu suchen (den es dann doch nicht gibt) und setze das Ding gleich wieder auf.
In dem Moment werde ich angesprochen: “Wo haben Sie diese Atemschutzmaske her? Haben sie diese gekauft oder selber genäht? Ich suche dringend welche…” – Was für ein Gesprächsthema morgens bei Aldi im April 2020. Hätte uns das mal einer vor einem Jahr gesagt….
Ich erkläre, das ich gute Beziehungen zu einem Medizinfachhandel habe und der wiederum auch gute Beziehungen zu der Firma habe…. Ich war bei der Partnerwahl sehr strategisch, wie sich wieder mal herausstellt. Ein Schwager, der Eigentümer eines Medizinfachhandels ist, und Schwiegereltern, die diesen gegründet haben, ist in solchen Zeiten Gold wert. Die Atemschutzmasken kamen frei Haus geliefert, ich musste nicht mal was machen. Nur dass sie in meinem Gesicht nicht funktionieren, ist irgendwie blöd.
Zu Hause werde ich unter Jubel meines Jüngsten an der Tür begrüßt – als wäre ich eine Woche von zu Hause weg gewesen. Er braucht nicht viele Gründe, um das Leben zu feiern. So eine Einstellung brauchen wir in diesen Zeiten.
Mit frischen Brötchen starten wir zu fünft in den Tag, Naja, für ca. 10 Minuten sind wir als Familie komplett am Tisch. Dann hat Daniel schon sein erstes Zoom Meeting. Er sitzt draußen auf der Terrasse, wir drinnen. Und unser Alltag hat uns wieder: Homeschooling, Kleinkinderunterhaltung, Arbeiten unter einem Dach.
Wie kannst du in der Krise wissen, dass Gott bei dir ist?
Manchmal muss man seinen Gefühlen und inneren Stimmen die Wahrheit und Stimme Gottes entgegenhalten.
Hier sind 2 Verse aus dem Neuen Testament dazu:
Seht, was für eine Liebe unser himmlischer Vater uns geschenkt hat, nämlich, dass wir seine Kinder genannt werden – und das sind wir auch!
Die Bibel: 1.Johannes 3,1
Ich bin überzeugt: Nichts kann uns von seiner Liebe trennen. Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder unsere Ängste in der Gegenwart noch unsere Sorgen um die Zukunft, ja nicht einmal die Mächte der Hölle können uns von der Liebe Gottes trennen.
Puh, seit einem Monat ist unser Leben drastische eingeschränkt. Wir haben uns irgendwie dran gewöhnt und irgendwie auch nicht. Ich spüre, dass ich für alles mehr Energie brauche, was mir sonst leicht von der Hand ging. Kindergeburtstage vorzubereiten sind für mich immer mit viel mehr Kraft verbunden. Diesmal auch. Es ist nun schon der zweite Geburtstag, den wir in der Krise feiern. Gerade unser Jüngster, der nicht versteht, warum wir unsere Freunde und Familie nicht sehen können, soll einen Tag haben, an dem er sich gern erinnert. Er wünschte sich zu seinem dritten Geburtstag einen Rasenmäher und Hächsler, in lila Geschenkpapier eingewickelt. Das Kind hat Ideen…. Lila Geschenkpapier gab bei Aldi leider nicht und mir ist auch nicht bekannt, dass es Häcksler für Dreijährige gibt. Aber den Rasenmäher bekam er. Seine Brüder sind fast aufgeregter als er, als wir gemeinsam den Geburtstagstisch mit Kerzen und Geschenken bestaunen. – Endlich ein Rasenmäher, während Rolfs Zuckowsis Geburtstagslied in Dauerschleife aus dem Lautsprecher dudelt.
Der wird gleich ausprobiert, genauso das neue Laufrad – eins mit Korb! Während ich seine Geburtstagstorte backe, nimmt sich Daniel Zeit für die Kinder. Das ist für mich ein großer Gewinn – ohne meine kleinen Helfer geht es besser und schneller.
Gegen Mittag kommt eine Erzieherin aus der Kita vorbei und bringt Valentin sein Geburtstagsgeschenk. Ich bin echt gerührt. es ist liebevoll verpackt und mein Geburtstagskind lädt die Erzieherin gleich ein zu bleiben.
Am Nachmittag kommt noch ein Geburtstagspäckchen – in lila Geschenkpapier. Endlich. Aber er bemerkt es gar nicht so richtig, weil er gerade seine Geburtstagstorte ist – im Garten bei Sonnenschein.
Während Papa noch eine Telefonkonferenz hat, essen, und spielen wir, Geschenke werden noch übern Zaun gereicht und es gibt viele schöne Momente.
Dann kommt endlich Papa – und die Feuer in der Feuerschale wird angemacht. Das war Valentin so wichtig. Er liebt Feuer – wie alle unsere anderen Jungs auch. Würstchen und Marshmallows werden gebraten.
Es gab einige Momente, die uns heute die nationale Situation vergessen lassen haben. Das war gut.
Ganz ehrlich, es gab heute Momente, da wollte ich nicht mehr. Die Kinder freuten sich auf Ostern – und ich auch. Wir wollten es irgendwie festlich machen, es sollte einfach schön werden. Soulfood ist ein Teil von Feiern, darum backte ich am Vormittag einen Kuchen. Einen richtigen, mit mehreren Arbeitsschritten, so wie es sich für einen Feiertag gehört. Daniel leitete unseren Zoom-Gottesdienst am Computer und durfte nicht gestört werden.
Manchmal funktioniert Kuchen backen und Kinderbetreuung, manchmal nicht. Heute war so ein – Funktioniert-gar-nicht-Vormittag. Der Jüngste hatte Hunger (das habe ich zu später erkannt), der Mittlere schlechte Laune under Große versuchte zwischen beiden zu vermitteln und gerät zwischen die Fronten. Na klasse. Ich flitzte zwischen Küche und Kinderzimmer hin und her, mit dem Resultat, dass der Pudding für den Kuchen zu dünnflüssig wurde, dafür der Boden zu dick. In der Küche Chaos, im Kinderzimmer emotionales Chaos, und überhaupt auch in mir selbst Chaos. Die letzten Wochen haben meine innere Kraft schrumpfen lassen, aber meine Kinder brauchen sie gerade jetzt. Ich versuche zu schlichten, zu trösten, Kinder auf verschiedene Räume zu verteilen und den Pudding für den Kuchen zu retten.
Ich brauche jetzt irgendwie übernatürliche Kraft – also die Kraft der Auferstehung Jesu. Das, was wir ja eigentlich heute feiern. Danach ist mir in dem Moment überhaupt nicht zu Mute. Ich lasse einen inneren Hilferuf Richtung Himmel los und hoffe, dass die Sonne, die draußen scheint, bald auch in unsere Herzen einzieht.
Zum Mittagessen wird die Stimmung mäßig besser. Das besondere Grill-Fleisch schmeckt nicht allen, aber wir sitzen draußen auf unserer Terrasse. Wir telefonieren mit Oma und Opa, und dann wollen die Kinder endlich Ostereier suchen. Dank einer lieben Freundin gibt es ein paar mehr Geschenke und auch unsere Nachbarn von gegenüber haben eine kleine Ãœberraschung in den Garten gestellt. Jetzt kommt doch noch Osterstimmung auf. Der Jüngste hat Spaß beim Suchen und Finden und stopft sich den Mund schon zwischendurch voll Schokoladeneiern.Â
Die Nachbarn von nebenan rufen über den Zaun Hinweise, weil die beiden Großen ihre Geschenke immer noch nicht gefunden haben – manchmal sieht man aus dem Abstand besser als wenn man ganz nah dran ist. Nun ist die Stimmung gut und wir haben alle Spaß.
Der kleine ist dann doch erschöpft und glücklich auf meinem Arm eingeschlafen. Ich genieße für ein paar Minuten die Ruhe im Garten. – Die ersten und einzigen Minuten für mich allein. Ich blicke – mein schlafendes Kind in den Armen haltend – durch den Garten: er ist grün! Vergissmeinnicht und Narzissen blühen, die Tulpen, die die Fußballspiele überlebt haben, blühen auf – es ist die schönste Jahreszeit in meinem Garten. Und ich bin mitten drin.
Gegen Abend scheint die halbe Nachbarschaft unterwegs zu sein. Wir kommen gar nicht mehr von unserem Gartentor weg, ständig treffen wir Leute mit denen wir reden. Wir verschenken Kuchen, bekommen Feuerholz angeboten, und dann kommen auch noch unsere Freunde vorbei geradelt. Unsere Kinder sind glücklich. Sie dürfen ihre Freunde nur durch den Zaun sehen, aber dafür live und in Farbe. Einfach mal quatschen und Quatsch machen. Das Abendessen verschiebt sich immer weiter nach hinten, macht nix. Der Hunger kann warten.
Ich bin dankbar, dass der Tag harmonischer endet als er begann.
Darauf hatte ich schon lange gewartet, nämlich, dass Christen zusammen stehen und gemeinsam für ihr Land beten.
Wir haben das in den letzten Wochen im Kleinen getan und organisierten als Gemeinde mehrere Gebetsketten. – Jeder, der mitmacht, trägt sich in eine Liste ein, und „reserviert“ sich eine Stunde, in der er betet. Dazu versenden wir verschiedene Anliegen, für die gebetet werden kann und auch eine „Anleitung“, wie diese Gebetsstunde gestaltet werden kann. Eine Stunde nur beten, das klingt sehr lang, vielleicht auch langweilig oder anstrengend. Das muss aber nicht so sein, und viele Teilnehmer geben uns die Rückmeldung, dass es für sie persönlich eine sehr wohltuende und gute Stunde war.
Vergangenen Mittwoch wurde das Ganze auf nationaler Ebene von prominenten geistlichen Leitern in Deutschland eine gemeinsame Gebetszeit initiiert. Wunderbar, dass sich tausende von Menschen schon vorher eingetragen haben, dabei zu sein. Im Lifestream gab es über 57.000 Teilnehmer. Was für eine Resonanz! Die Corona-Krise bringt eine Nation zusammen, um zu beten! So etwas gab es zu letzt 1989, als die Mauer fiel.
Wenn du in der Kranken- oder Altenpflege arbeitest – für dich haben wir gebetet. Wenn du Politiker bist und gerade viele und schwierige Entscheidungen treffen musst – für dich haben wir gebetet. Wenn du deine Arbeitsstelle verloren hast, oder du gerade kein Einkommen hast – für dich haben wir gebetet. Wenn du gerade mit der Doppelbelastung zu kämpfen hast, von zu Hause aus zu arbeiten und gleichzeitig Kinder zu betreuen – für dich haben wir gebetet. Wenn du gerade einsam bist und deine Familie, Freunde, Enkelkinder nicht sehen darfst – für dich haben wir gebetet. Wenn du Angst hast, weil du nicht weißt, wie es weiter geht – für dich haben wir gebetet. Wenn du selbst infiziert bist, im Krankenhaus bist und dein Gesundheitszustand kritisch ist – für dich haben wir gebetet. Wenn du durch diesen Virus Verwandte oder Freude verloren hast – wir haben für dich gebetet.